
Tag 1
Es gibt viele Namen für das, was man gemeinhin „ziemlich große Scheiße“ nennt. Ich bin gerade aus dem Krankenhaus zurück. Mein Bein liegt hoch, verziert mit Gips-Bandage und Kühlpad. Und dabei war dieser verdammt elegante Sprungtritt beim Taekwondo-Training etwas, was ich schon ein paar hundertmal gemacht habe.
Patella-Luxation
Anlauf, Abspringen, der erste Kick frontal, in der Luft seitlich eindrehen, der zweite Kick seitlich … Landung! Aber genau die sollte dieses Mal so ganz anders sein … ein Sturz, ein Schmerz … die Kniescheibe rausgesprungen (Patella-Luxation), sieht nicht schön aus, wenn sie an der Seite „hängt“.
Einen beherzten Griff meines Trainers später saß das Knie wieder da, wo es hingehört. Der Schmerz besserte sich. Aber beim Versuch, wieder aufzustehen, offenbarte sich das ganze Ausmaß der „unsanften Landung“. Das Sprunggelenk wollte einfach nicht mehr so wie ich.
Zwei Stunden später in der Rettungsstelle des Potsdamer Klinikums hatte ich dann Gewissheit. Das obere Sprunggelenk ist gebrochen. Am Montag darf ich zur OP-Beratung und mutmaßlich Mittwoch wird dann operiert. Wenn ich das richtig verstanden habe, kann ich dann nach 6 Wochen Gips und Physio wieder halbwegs geradeaus laufen.
Tag 4

Nachdem ich heute gefühlte 5 Kilometer durch das Krankenhaus gekrückt bin, gibt es ein paar Neuigkeiten.
Das Sprunggelenk soll definitiv operiert werden. Im Moment ist das aber nicht möglich, da die Schwellung des Bereichs noch zu stark ist. Dass in der Notaufnahme kein Röntgenbild des Knies gemacht wurde, hat den Chirurgen sehr verwundert. Das wurde heute nachgeholt – fünf Aufnahmen in verschiedenen Positionen. Donnerstag wird noch ein MRT gemacht, um eventuelle Knorpelschäden sichtbar zu machen. Danach wird entschieden, ob auch das Knie operiert wird.
Humpeln ist Leistungssport
Die Humpelei durch die ewig langen Gänge des Klinikums war eine fette Sporteinlage. Wenn das so weitergeht, habe ich bald Arme wie Popeye.
Vollnarkose oder Spinalanästhesie
Die Art der Narkose kann ich mir wahrscheinlich aussuchen. Spinalnarkose oder Vollnarkose stehen zur Auswahl. Da ich keinen gesteigerten Wert darauf lege, mir die „Handwerkerei“ an meinem Bein anzuschauen und anzuhören, werde ich mich wohl komplett wegbeamen lassen. Bei meiner Blinddarm-Operation fand ich das sehr angenehm. Und die Vorstellung, so eine Nadel ins Rückenmark gerammt zu bekommen, löst bei mir auch nicht gerade spontanen Jubel aus.
Tag 12
Ich bin gerade aus dem Potsdamer Klinikum zurück. Dort habe ich mit dem Chefarzt der Chirurgie meine Bilder besprochen. Er hat mir eindringlich zu einer Operation geraten. Danach habe ich noch ein bisschen Blut da gelassen und mich vom Anästhesisten beraten lassen.
Am Freitag ist es dann so weit. Man wird meinen Fuß öffnen und das Gelenk richten. Danach wird das Wadenbein mit einer Platte verschraubt. Dann wird sich auch zeigen, ob die Syndesmose gerissen ist. Die wird dann ggf. genäht und die ganze „Konstruktion“ ggf. mit einer Stellschraube versorgt.
Operation

Am letzten Freitag war es soweit. Zwei Wochen nach meinem Sportunfall wurde ich – reichlich spät – im Klinikum Potsdam operiert.
Anästhesie
Ich hatte mich für eine Kombination aus Vollnarkose und lokaler Anästhesie mittels Bein-Katheter entschieden. Zuerst gab es eine LMA-Tablette (die nicht merklich gewirkt hat), dann wurde der Zugang für die Narkose gelegt. Der war dann auch „schon“ beim zweiten Versuch drin.
Der erste Versuch ist noch immer eine blaue Schwellung auf meinem Handrücken. Aber hey! Damit hatte ich noch Glück. Bei einem älteren Mann durfte jemand üben, der das offenbar zum ersten Mal gemacht hat. Die Schwester hat erklärt und er hat es (zögerlich) nachgemacht. Dem hätte ich mich definitiv verweigert.
In meinen Zugang habe ich dann erst mal eine Mini-Dosis bekommen. Das war wie so richtig heftig betrunken. Kurz darauf gab es dann die volle Dröhnung. Und ich habe mich darauf konzentriert, dass ich ja quasi sofort wieder aufwache und dann atmen muss, damit ich im Aufwachraum nicht ständig darum gebeten werde. (das war bei meiner Blinddarm-OP sehr nervig)
Aber dieses Mal war die Narkose anders. Ich bin nicht „gefühlt sofort“ wieder aufgewacht, sondern habe geträumt. Was weiß ich nicht mehr. Aber die vergangene Zeit wurde nicht einfach ausradiert. Das Narkosemittel war Propofol. Das Zeug, mit dem sich Michael Jackson regelmäßig und irgendwann dann auch final sediert hat.
Der Beinkatheter wurde unter Ultraschall-Kontrolle gelegt. Das verhindert, dass man Nerven trifft und zerstört.
Aufwachen
Das Aufwachen war dieses Mal super-angenehm. Ich wusste ja, worauf es ankam: Atmen. Das war zwar anstrengend, aber deutlich angenehmer als ständig mit „Atmen! Atmen!“-Rufen geweckt zu werden. Erst konnte ich nur hören … dann sah ich total unscharfe Bilder … und später war es wieder halbwegs normal. Aber ich bin natürlich noch mehrmals eingeschlafen.
Kurz vor dem Transport war ich dann so fit, dass ich nach meiner Sauerstoffsättigung fragen konnte. Ein weibliches Wesen hat mir dann das Protokoll vor die Nase gehalten und gesagt: „Sehn se … alles super 100% 100% 100%“. Strike! Ich kann atmen!

Die erste Nacht
Den ersten Abend konnte ich genießen. Die OP war gelaufen, meine Freundin an meiner Seite und mein Bein komplett taub. Ich konnte nicht mal meine Zehen bewegen. Etwas schade fand ich die Tatsache, dass nach der OP kein Arzt zu mir kam. Ich hätte mir gewünscht, die Inter-OP-Bilder zu sehen und ein kurzes Statement zu erhalten ala „Alles gut gelaufen. Wir haben xy gemacht.“. (zumal bei mir die wesentliche Frage, ob ich eine Stellschraube bekomme noch offen war)
So gegen 1.00 Uhr ließ die Taubheit in meinem Bein dann nach. Das fand ich anfangs gut. Als mich dann ziemlich üble Schmerzen weckten, war es vorbei mit der Freude. Das gering dosierte Schmerzmittel, dass ich in den Beinkatheter bekam, hat bei mir nicht merklich gewirkt. (das zeigte sich auch beim Absetzen am 3. Tag, wo die latent vorhandenen Schmerzen nicht stärker wurden)
Ich habe dann eine Paracetamol-Infusion bekommen. Ich bin alles andere als ein Paracetamol-Fan. Aber in dieser Situation, in der ich schweiß-nass vor Schmerzen war, habe ich jeden Tropfen genossen. Die Infusion hat mir 3-4 Stunden Ruhe verschafft.
Dann meldete sich der Schmerz zurück. Nach weiteren 3 Stunden hat mich die Anästhesistin erlöst. Aufgrund der fehlenden Wirkung wurde vermutet, dass mein Beinkatheter nicht mehr richtig sitzt. Sie spritzte dann eine solide Dosis manuell ein. Danach hatte ich wieder 3-4 Stunden Ruhe.
Am späten Nachmittag begrüßte mich der Schmerz dann wieder. Gefühlt genauso stark wie zuvor. Ich hab es erst mal 2-3 Stunden ertragen und dann gemeckert. Dann bekam ich eine Schmerzspritze in den Bauch. Die hat zwar rund 40 Minuten gebraucht, bis sie wirkte, hielt mich aber ca. 12 Stunden schmerzfrei.
Am zweiten post-operativen Tag hatte ich dann noch mal so eine 3-stündige Schmerzphase. Die habe ich aber einfach durchgehalten und danach war es – auch ohne zusätzliche Schmerzmittel – erträglich. Am Abend habe ich dann die Schwester gebeten, die Dosis des Beinkatheters zu verringern, weil der mich ja ans Bett fesselte. Am nächsten Morgen wurde er dann ganz entfernt.
Physio, AV-Pulsator & Service

Der Service auf der Privatstation des Potsdamer Klinikums war exzellent. Das Essen bietet eine große Auswahl und ist sehr lecker. Ich habe bereits am ersten Tag nach der OP mit der Physiotherapie begonnen. (Bewegungsumfang des Fußes erhöhen, Mobilisation mit Teilbelastung an Unterarmgehhilfen = Krücken)
Mein Fuß wurde zudem mit einem AV-Pulsator behandelt. Das Gerät dient dem Abbau von Schwellungen. Um den Fuß wird etwas gelegt, das am ehesten mit einer Blutdruckmanschette zu vergleichen ist. Nur wird die nicht langsam, sondern stoßweise aufgeblasen. Das ist Anfangs super angenehm. Je länger das Ding läuft, desto eher wird es unangenehm bis leicht schmerzhaft. Wenn man seine persönliche Dosis gefunden hat, ist es ein tolles Gerät.
Vacoped und Stellschraube
Wenn man „nur“ eine Weber B Faktur hat, kann man mit einem Vacoped-Schuh versorgt werden. Dieser Sicherheitsschuh unterstützt die Mobilisation. Das Laufen mit einer Teilbelastung wird wesentlich einfacher. Und das Beste: Wenn man doch mal auftritt, geht nicht gleich alles kaputt.
Ich habe nämlich eine Stellschraube, die Wadenbein und Schienbein verbindet. Diese verträgt das Körpergewicht nicht und bricht unter Volllast. Das hat für mich den unangenehmen Effekt, dass ich jetzt 5 Wochen aufpassen muss, dass ich nicht auftrete, stolpere etc. – ein Bruch der Stellschraube sorgt meist dafür, dass die ganze OP-Geschichte von vorn losgeht.
Da ich – wegen meiner Knieverletzung – aber noch eine IROM-Schiene tragen muss, kam ein Vacoped nicht infrage. Leider hatte mir ein Arzt zwischendurch Hoffnung darauf gemacht, sodass ich dann ziemlich enttäuscht war, dass ich keinen bekam.
Entlassung
Am Mittwoch ging alles ganz schnell. Kurze Besprechung mit Arzt, Chefarzt und Physio. Dann durfte ich mit Rezept, Arztbrief und Krankschreibung nach Hause.
EMS Gerät
In den nächsten Tagen soll ich noch ein EMS-Gerät bekommen. So ein Elektrostimulationsdingens, das den Muskel an meinem Knie aufbauen soll, der für den stabilen Halt der Kniescheibe verantwortlich ist.
Medikamente
Aktuell muss ich folgende Medikamente nehme:
- 3 x 500 mg Ibuprofen
- 1 x Pantozol 40
- 1 x Clexane 40 (Anti-Thrombose-Spritze)
Learnings
Ich werde bei der nächsten OP die post-operative Schmerztherapie vorher noch besser absprechen. Dazu muss ich noch in Erfahrung bringen, was das für eine sexy Bauchspritze war, die mich so lange erlöst hat. Ich werde meine Krankenversicherung mindestens auf 2-Bett-Zimmer und Chefarzt Behandlung aufstocken. Ich hätte mir diesen Aufenthalt nicht auf der normalen Station vorstellen können. Allein die Vorstellung vor versammelter Mannschaft in die Ente zu pinkeln, finde ich alles andere als sexy.
Im 1-Bett-Zimmer konnte ich so lange lesen / Fernsehen gucken, bis ich wirklich müde war und trotz leichter Schmerzen einschlafen konnte. Auch die stundenlangen Besuche meiner Freundin, die mir sehr geholfen haben, wären im Mehrbett-Zimmer wohl undenkbar gewesen.
Tag 29
Ich habe heute meinen Körper mal wieder ins Potsdamer Klinikum geschleppt und das Fäden ziehen und eine Röntgenkontrolle erfolgreich hinter mich gebracht. Es war soweit alles okay: Die Wunde heilt gut und das ganze Metall hält meine Kochen weiterhin in der richtigen Position.
Der nächste Termin ist am 25.6. Meine ersten Gehversuche kann ich aber frühestens in 4-5 Wochen starten, wenn die Stellschraube entfernt wird. Es stehen mir noch folgende Dinge bevor:
- Röntgenkontrolle
- 2. OP: Stellschraubenentfernung (Anfang Juli 2010)
- Wundversorgung / Fäden ziehen
- Krankengymnastik / wieder laufen lernen
- Röntgenkontrolle
- 3. OP: Materialentfernung (Februar – Mai 2011)
- Wundversorgung / Fäden ziehen
Unklar ist noch, ob die konservative Therapie meines Knies Erfolge zeigt. Ansonsten steht da auch noch eine Operation bevor.
Nach 4 Wochen rumliegen, nervt die Inaktivität und die Unselbstständigkeit doch sehr. Zum Glück werde ich gut versorgt, denn so einfache Dinge wie Einkaufen oder selbst eine Tasse Milch durch die Wohnung tragen, funktionieren mit Krücken leider nicht.
Wenn in ca. 4 Wochen die Stellschraube entfernt wird, kann ich langsam wieder üben, ohne Krücken zu laufen. Der Physiotherapeut im Klinikum meinte, ich solle mit ca. 9 Monaten rechnen, bis ich mich auch wieder sportlich voll betätigen kann.
Da (Zitat meines Arztes) „die Muskeln schmelzen wie Butter in der Sonne.“ werde ich mich zunächst wohl mit Fitness-Studio und Schwimmhalle genügen müssen.
Tag 56

56 Tage ist es jetzt her, dass ich beim Taekwondo unsanft gelandet bin. Noch immer liege und sitze ich brav in meinem kleinen „Gefängnis“ und kümmere mich fürsorglich um mein Bein. Bei den täglichen Übungen freue ich mich über jeden noch so kleinen Fortschritt.
Neben der ärztlich verordneten Krankengymnastik übe ich selbst intensiv. Die Muskulatur an meinem verletzten Bein ist ziemlich geschrumpft. Seit einer Woche darf ich neben den normalen Streck-, Beweglichkeits- und Kraftübungen auch ganz sanft auch meinem Spinningbike fahren, um die Beweglichkeit der Gelenke zu verbessern.
Als ich am letzten Freitag meine Knieschiene losgeworden bin, konnte ich mein Knie nur auf ca. 110 Grad beugen. Heute ist schon die komplette Beugung (bis an den Hintern) drin. Noch nicht schmerzfrei, aber immerhin.
So gehts weiter
Am nächsten Freitag ist die OP zur Entfernung der Stellschraube. (Vorbereitung mit Kontroll-Röntgen am Donnerstag) Danach werde ich voraussichtlich sofort nach Hause dürfen. Der Arzt rechnet dann mit 2-3 Wochen, bis ich wieder halbwegs geradeaus laufen kann.
Wie lange ich dann aber am Stück „rumlaufen“ kann, lässt sich kaum prognostizieren. Das hängt insbesondere davon ab, wie stark der Fuß nach Benutzung anschwillt und schmerzt. Da reicht die Bandbreite von Patienten, die nach 4 Wochen wieder voll aktiv sind, bis zu jenen, die nach Monaten noch große Probleme haben.
Ein Unsicherheitsfaktor bleibt das Knie. Niemand weiß, ob das jetzt hält. Ich werde aber – durch gezielten Muskelaufbau – alles in meiner Kraft stehende dazu beitragen, dass es das tut.
Nach 3 Monaten

Meine Arbeitsunfähigkeit nähert sich dem Ende. Ab dem 14. August bin ich offiziell wieder arbeitsfähig.
In den letzten 4 Wochen seit Entfernung der Stellschraube, konnte ich mich – dank Krankentagegeld – fast rund um die Uhr um mein Bein kümmern. Das intensive Training hat dafür gesorgt, dass sich meine Muskeln schnell wieder ausgebildet haben und die Beweglichkeit wieder hergestellt ist.
Noch merke ich deutliche Unterschiede zwischen dem gesunden und dem verletzten Bein. Mein Gangbild ist noch nicht ganz rund und einige Muskelgruppen weisen deutliche Defizite auf. Ich bin allerdings wieder alltagstauglich.
Bis zum Ende meiner Physiotherapie (Anfang September) werde ich selbstständig und täglich weitertrainieren. Danach melde ich mich dann im Fitness-Studio an. Dort will ich gezielt die gelenkführende Muskulatur (Knie- und Sprunggelenk) aufbauen, um solche „Zwischenfälle“ in Zukunft unwahrscheinlicher zu machen.
Taekwondotraining wurde mir vorerst bis zum Ende des Jahres untersagt. Danach wird dann erneut entschieden.
Ich freue mich schon darauf, um Netz wieder aktiver zu werden, mehr zu bloggen, mehr zu fotografieren …
Materialentfernung
Nach 6 Monaten.

Das ist nicht mein Bein. Aber meines sieht fast genauso aus. Allerdings ist bei mir eine größere Drittelrohrplatte verschraubt. Meine hat 7 statt nur 5 Schrauben.
Morgen gegen 7.30 Uhr muss ich zur OP-Vorbereitung im Klinikum sein. Ich darf mich dann mit einem schicken OP-Hemd und noch schickeren Thrombose-Strümpfen kleiden. Gegen 10.00 Uhr geht es dann los. Vermutlich gibt es zunächst wieder eine Valium. Dann werde ich mit meinem Bett durch das Klinikum kutschiert und vor dem OP von meinem Bett auf einen rollbaren OP-Tisch umgelagert. (bei OP 1 von 3 haben sie das mit einem automatischen Hebegerät gemacht)
Anschließend wird mich das Anästhesie-Team begrüßen und mir einen Zugang legen. Normalerweise klappt das bei mir erst beim zweiten oder dritten Versuch. Und nach ein wenig Warterei gibt es eine lecker Dosis Propofol. Bis zehn zählen ist dann nicht mehr drin …
… und ich wache auf. Höre Stimmen, sehen kann ich nichts. Nachdem ich dann noch ein paar mal „abgenickt“ bin, werde ich langsam wach. Und habe hoffentlich nur ganz wenig Schmerzen.
So, da bin ich wieder. Zurück an Blog und Schreibtisch 😉
So eine Materialentfernung ist nicht schön, aber deutlich besser als die ursprüngliche Operation. Außer Ibuprofen habe ich dieses Mal kein Schmerzmittel gebraucht.
Im Moment kann ich mich nur humpelnd durch die Gegend bewegen. Ich hoffe aber, dass sich das in den nächsten Tagen bessert. Freitag habe ich meinen nächsten Arzttermin.
8 Monate später
Inzwischen sind sämtliche Wunden verheilt, das Material ist wieder draußen und ich kann wieder weitestgehend ohne Einschränkungen herumspringen. Ich habe inzwischen wieder mit dem Taekwondo-Training begonnen. Zunächst für mich allein – vor allem um einschätzen zu können, was ich meinem Körper zumuten kann.
Die Beweglichkeit ist wie vorher. Auch in puncto Kraft spüre ich keine Unterschiede zwischen verletztem und unversehrtem Bein mehr. Wenn ich allerdings bei Halbkreistritten auf dem verletzten Bein zu drehen versuche, fühlt sich das „heikel“ an. Die Stabilität der Kniescheibe ist noch nicht auf dem Niveau, wo ich sie gerne hätte. Ich werde also das Training der stabilisierenden Muskulatur (v.a. vastus medialis) noch intensivieren müssen.
Eine gewisse Schwellneigung ist – wenn ich das Bein tagsüber nicht hochlegen kann – noch vorhanden und über der Narbe ist die Haut auch noch ein wenig taub.
Learnings
Folgendes habe ich aus meiner Behandlung mitgenommen, das vielleicht für andere Betroffene nützlich sein könnte:
- Die Prognosen der Ärzte, was den Heilungsverlauf und die Einsatzfähigkeit angeht, sind nur grobe Richtwerte auf Basis des durchschnittlichen Patienten. Wer intensiv mitarbeitet, normalgewichtig und/oder gut trainiert ist, wird i.d.R. deutlich schneller genesen.
- Die Entscheidung, das Material so früh wie möglich (6 Monate) entfernen zu lassen, war goldrichtig. Je länger das Material im Körper ist, desto schwerer wird die Entfernung. So richtig schmerzfrei und beweglich war mein Gelenk erst nach der Entfernung.
- Trainieren, Trainieren, Trainieren! Die Physiotherapie ist kein „Heilmittel“. Die Physiostunden (bei mir 30) dienen nur der Demonstration der Übungen. Nur wer (in Absprache mit dem Arzt!) intensiv selbst übt, macht schnelle Fortschritte. Ich habe jeden Tag mehrere Stunden trainiert. Das verbessert nicht nur den Zustand, sondern hebt auch das angeschlagene Gemüt.
- 6-8 Wochen herumliegen sind hart. Da gibt es nichts wegzudiskutieren. Irgendwann kommt das Stimmungstief – ganz unvermeidlich! Man tut gut daran, sich etwas zu suchen, das die eigene Leidenschaft weckt, auch wenn man sich nicht bewegen kann. Bei mir war es die Fotografie. Ich habe wahnsinnig viel gelesen und recherchiert.
- Foren sollte man meiden. Dort posten v.a. die „Härtefälle“, bei denen entweder bei der Behandlung etwas schiefgelaufen ist oder mangelnde Kooperationsbereitschaft (z.B. Auftreten trotz Belastungsverbot) zu Komplikationen geführt hat.
- Muskulatur: Nicht erschrecken lassen. Nach 8 Wochen herumliegen hatte ich ein Bein, um das mich vermutlich selbst Models beneidet hätten. Genauso schnell, wie der Muskel atrophiert, baut er sich auch wieder auf, wenn ihr ihn belastet.
- Wenn man nach der Operation starke Schmerzen hat, sollte man auf Linderung bestehen. Ich war da viel zu zaghaft. Die Schwestern wissen, wie stark die Schmerzen aufgrund der Knochenverletzung und der massiven Gewebeverletzungen werden können. Aber natürlich wird zunächst versucht, mit milden Schmerzmitteln zu therapieren. I.d.R. liegt ein Medikationsplan bereit, den die Schwestern dann ohne ärztliche Rücksprache „abarbeiten“ können.
Ein paar Worte:
Wenn Du diesen Artikel liest, hast Du vermutlich gerade die Diagnose „Weber B Fraktur“ bekommen. Egal, wie das für Dich klingt, lass den Kopf nicht hängen.
Das ist kein Beinbru … aaaaahhh wait. Ernsthaft: In ein paar Monaten wirst Du vermutlich kaum noch an diese Zeit denken. Die allermeisten Patienten genesen vollständig. Und die paar Wochen, in denen Du „außer Gefecht“ gesetzt bist, kannst Du sinnvoll nutzen. Lies das Buch, für das Dir bisher die Zeit gefehlt hast. Gucke alle Staffeln Deiner Lieblingsserie am Stück. Oder denke darüber nach, wohin Dein Leben gerade steuert und ob das die richtige Richtung ist.
So eine Auszeit ist sehr wertvoll und die meisten Menschen nehmen sie sich nicht freiwillig. Jetzt hast Du eine Zwangspause. Mach das Beste daraus!
Bei vielen Patienten hat die Fraktur am Ende etwas Positives bewirkt.
Heute und Horrorstorys
Ich bin heute – zwei Jahre nach meiner Weber-B-Fraktur – völlig gesund, treibe wieder Sport und meistere meinen Alltag ohne jegliche, körperliche Einschränkung.
Während meiner Behandlung habe ich viel im Netz gelesen. Ich kenne daher die ganzen Horrorstorys, die in einschlägigen Foren zu finden sein. Brüche, die nicht zusammenwachsen, Scheingelenke, Infektionen, chronische Schmerzen – das alles gibt es bestimmt.
Aber das sind Einzelfälle! Die allermeisten Weber B Patienten werden nur noch von ihrer OP-Narbe an diese Verletzung erinnert. Dadurch, dass ich im Netz über meine Behandlung in verschiedenen Blogs berichtet habe, stehe ich mit vielen Patienten in Kontakt, die allesamt vollkommen genesen sind.
Zu jeder Heilung gehört auch der positive Glaube des Patienten und sein Wille an der Genesung mitzuarbeiten. Wer dem Rat seiner hoffentlich kompetenten Ärzte folgt und bei der anschließenden Physiotherapie fleißig mitarbeitet, wird in der Regel schneller genesen als der Patientendurchschnitt.
- Weber B Fraktur – Behandlung, Dauer, Operation, Heilungschancen
- Meniskusriss Symptome – Die typischen Anzeichen erkennen
Quellen
- ICD-10: S82 Fraktur des Unterschenkels, einschließlich des oberen Sprunggelenks
- Ärztliche Anlaufstellen: Orthopäde, Unfallchirurg, Phsysiotherapeut
- Compression therapy after ankle fracture surgery: a systematic review – Zeitschrift: European Journal of Trauma and Emergency Surgery > Ausgabe 4/2017 – Autoren: R. Winge, L. Bayer, H. Gottlieb, C. Ryge – PMID: 28624992 DOI: 10.1007/s00068-017-0801-y
- What’s new in ankle fractures – Matthew J. Toth, Richard S. Yoon, Frank A. Liporace, Kenneth J. Koval – Injury. 2017 Oct;48(10):2035-2041.Epub 2017 Aug 9. – DOI: 10.1016/j.injury.2017.08.016 – PMID: 28826651
- Surgery for Type B Ankle Fracture Treatment: a Combined Randomised and Observational Study (CROSSBAT) – Rajat Mittal, Ian A Harris, Sam Adie, Justine M Naylor – BMJ Open. 2017 Mar 27;7(3):e013298. – PMID: 28348185 PMCID: PMC5372107 DOI: 10.1136/bmjopen-2016-013298
- S2e-Leitlinie 012/003: Sprunggelenkfraktur – Prof. Dr. Gerhard Schmidmaier, Dr. Thomas Ferbert, Prof. Dr. Norbert M. Meenen, Prof. Dr. Michael Schütz uvm.
- Osteosynthese von Weber-B-Sprunggelenkfrakturen mit der Drittelrohrplatte und Syndesmosenrekonstruktion – Spering, C. ; Lesche, V. ; Dresing, K. – Operative Orthopädie und Traumatologie, 2015, Vol.27(4), pp.317-333 – DOI: 10.1007/s00064-015-0412-x
- OSG-Frakturen Weber-B/C: was ist Standard? – Wichelhaus, Alice ; Mittlmeier, Thomas – OP-Journal, 2014, Vol.30(2), pp.66-75 – DOI: 10.1055/s-0034-1383218
- Anerkannte Indikationen zur konservativen Frakturbehandlung: Sprunggelenkfrakturen – Autoren: Özokyay, L ; Muhr, G ; Kutscha-Lissberg, F – Publikation: Trauma und Berufskrankheit, 2004-05, Vol.6 (S1), p.S76-S78 – DOI: 10.1007/s10039-004-0867-8
- Weber A-, B- und C-Fraktur – Autoren: Mayer, C ; Siems, W – Publikation: 100 Krankheitsbilder in der Physiotherapie, p.214-217 – DOI: 10.1007/978-3-642-17267-0_22
- Stabile Weber-B-Fraktur – 3 Wochen vs. 6 Wochen Immobilisation – Publikation: Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie, 2020-04, Vol.158 (2), p.154-155 – DOI: 10.1055/a-1090-0505