Die geistige Leistungsfähigkeit kann in die Aufmerksamkeit, die Konzentration, die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit sowie die Merkfähigkeit untergliedert werden. Auch die Intelligenz kann gesondert betrachtet werden. Als ideal hat es sich dabei erwiesen, verschiedene Verfahren miteinander zu kombinieren, um ein umfassendes Bild über die Kognition – also die geistigen Kompetenzen – zu erlangen.
Die Relevanz der Einschätzung kognitiver Funktionen
In vielen Bereichen kann die Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit im klinischen Alltag relevant sein. So fallen etwa mitunter Patienten auf, die Informationen nicht korrekt zu verarbeiten scheinen, Probleme mit dem Gedächtnis haben, mehrfache Erklärungen benötigen oder verlangsamt reagieren.
Gerade bei älteren Patienten steht dabei die Frage im Raum, ob pathologische Einschränkungen im Sinne einer Demenz vorliegen könnten.
Demenz als Begleiterscheinung
Die Erfassung von Merkfähigkeit und Konzentration kann ebenso bei der Diagnose psychischer Störungen relevant sein, da entsprechende Einschränkungen Begleiterscheinungen einer Schizophrenie oder Depression sein können. In der Rehabilitation wird eine Einschätzung der geistigen Leistungen zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit herangezogen.
Zudem müssen veränderbare kognitive Defizite und persistierende, also bleibende Einschränkungen unterschieden werden. Eine genaue Prüfung vorhandener Defizite trägt also dazu bei, Möglichkeiten der Veränderung und Verbesserung zu finden.
Die Anwendung von Demenztests
Demenztests, wie der Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder der DemTect sowie das Rapid Dementia Screening (RDS), kommen häufig bei älteren Personen zum Einsatz. Die Tests beinhalten beispielsweise einfache Rechenaufgaben oder das Merken von Wortlisten sowie das Abzeichnen einfacher Formen.
Auch wenn diese meist vergleichsweise simpel sind, so bieten gerade der DemTect und dessen Kurzform, der RDS, ebenso Aufgaben, die selbst bei jüngeren Personen angewendet werden können.
Wortlisten auch für jüngere Patienten
Enthalten ist unter anderem eine Wortliste mit 10 Begriffen, die im Gedächtnis aufrechterhalten werden sollen. Personen, die jünger als 60 Jahre sind, können sich durchschnittlich sieben Begriffe merken; alle 10 Wörter schaffen nur sehr wenige.
Daher ist das Verfahren durchaus dafür einsetzbar, um bei Jüngeren Einschränkungen der Merkfähigkeit sowie anderer kognitiver Bereiche einzuschätzen. Beide Tests besitzen zudem Normen (also Vergleichsmaßstäbe), die auch für Klienten unterhalb der eigentlich vorgesehenen Altersgruppe nutzbar sind.
Intelligenztests in der klinischen Anwendung
Neben Demenztests können ebenso Verfahren zur Messung der Intelligenz zum Einsatz kommen. Diese erfassen häufig das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Typische Aufgaben beinhalten das Finden eines Fehlers innerhalb einer Zahlen- oder Buchstabenreihe sowie das Fortsetzen einer Abfolge mit dem passenden Symbol.
Dazu muss jeweils die Gesetzmäßigkeit erkannt werden, nach der die einzelnen Reihen aufgebaut werden. Zusätzlich können Aufgaben zur Analyse von Problemsituationen oder zum Finden möglichst vieler Optionen enthalten sein.
Leistungsprüfsystem nach Horn (LPS)
Die Tests können zum Einsatz kommen, um zu beurteilen, welche grundsätzlichen Kompetenzen bei einem Patienten vorhanden sind, auch wenn diese momentan vielleicht durch eine Erkrankung oder Störung überlagert sind. Besonders das Leistungsprüfsystem nach Horn (LPS) wird gern verwendet.
Dieses stammt zwar aus den 1980er Jahren und ist daher für ein Intelligenzverfahren vergleichsweise alt, es ist jedoch sehr schnell und ökonomisch einsetzbar. Bereits ein etwa fünfminütiger Test kann als Teilaufgabe des LPS zur Abschätzung der Intelligenz verwendet werden.
Neuere Verfahren sind meist deutlich länger und auch nicht so einfach in Teilaufgaben untergliederbar. Zwar ist das Ergebnis bei dem nur fünfminütigen Test mit einer gewissen Unschärfe behaftet, aber für klinische Anwendungen ist das Verfahren dennoch ausreichend genau.
Ein kombiniertes Vorgehen
Zur Abschätzung der geistigen Leistungsfähigkeit eignet sich am besten die Kombination mehrerer Verfahren. Dies entspricht dem aktuellen klinischen Standard. So sollte die Messung der Gedächtnisfunktion etwa mit verbalem Material (Wortlisten) sowie Zahlen und visuellen Items (Bildern) erfolgen. Neben der reinen Wiedergabe (Rehearsal) kann auch das Wiedererkennen (Rekognition) geprüft werden.
Denn für einige Störungen (z.B. eine Depression) ist es typisch, dass Gelerntes nicht mehr korrekt wiedergegeben, aber dennoch wiedererkannt wird. Schwächen in einzelnen Bereichen (z.B. beim Merken von Zahlen) können auf spezifische Probleme hinweisen, die nicht mit dem Gedächtnis allgemein, sondern eher dem Zahlenverständnis zu tun haben (z.B. Rechenschwäche).
Quellen und weiterführende Literatur
- Geriatrisches Assessment Mini-Mental-Status-Test (MMST) – Jens Zemke – Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York – Pflegerische Interventionen – Assessmentinstrumente in Geriatrie und Gerontologie – GGP 2018; 02(02): 75-77 DOI: 10.1055/a-0566-5612
- Mini-Mental-Status-Test im stationären geriatrischen Bereich – Eine Evaluation der diagnostischen Qualität – S. Beyermann, R.H. Trippe, A.A. Bähr, R. Püllen – Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie > Ausgabe 8/2013 | PMID: 23483351 | DOI: 10.1007/s00391-013-0488-6
- DemTect-B: ein Äquivalenztest zum kognitiven Screening DemTect-A – J. Kessler, P. Calabrese, E. Kalbe – Fortschr Neurol Psychiatr 2010; 78(9): 532-535 – PMID: 20563965 | DOI: 10.1055/s-0029-1245452
- Der DemTect in der klinischen Anwendung – Sensitivität und Spezifität eines kognitiven Screeninginstruments – Elke Kalbe, Matthias Brand, Josef Kessler, Pasquale Calabrese – Zeitschrift für Gerontopsychologie & -psychiatrie (2005), 18, pp. 121-130. DOI: 10.1024/1011-6877.18.3.121
- Kognitives Basis-Assessment für Menschen mit Demenz in der Hausarztpraxis – Ist doch ganz einfach!? – Umgang mit möglichen Schwierigkeiten und Stolperfallen im kognitiven Demenz-Assessment in der Hausarztpraxis – Dipl.-Psych. Anne Messemaker, Dipl.-Psych. Arthur Schall, M.A. & Dr. Valentina Tesky – Arbeitsbereich Altersmedizin, Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main
- The Rapid Dementia Screening Test (RDST): a new economical tool for detecting possible patients with dementia. – Kalbe E, Calabrese P, Schwalen S, Kessler J. – Dement Geriatr Cogn Disord. 2003;16(4):193-9. – PMID: 14512713 DOI: 10.1159/000072802
- Neue Intelligenztests – Kiese-Himmel, C – Sprache Stimme Gehör, 2016, Vol.40(01), pp.34-36 | DOI: 10.1055/s-0041-103300
- ICD-10: F00-F03 Demenz – Ärztliche Anlaufstellen: Hausarzt, Neurologe